Ein Standpunkt:
Wenn die Tirol Holding ein Symposium mit dem Titel „Ruptur“ organisiert, zeigt das, dass die Aufmerksamkeit für die Fragilität der momentanen Zeit im Zentrum der Aufmerksamkeit angekommen
ist.
Die Skulptur " Der Bruch" entstand in einer Zeit in der die Struktur, die bis dahin als sakrosankt galt, anfing zu zerbrechen: 2008 war das Jahr der Lehman-Pleite, in dem das das Vertrauen in ein
immer größer werdendes Glück durch die Segen des Kapitalismus, zerbrach.
1992 puplizierte Francis Fukoyama sein Buch: "Das Ende der Geschichte" , in dem er den Sieg des liberal- kapitalistischen Systems postulierte. Ab jetzt würden wie in einer friedlichen Welt
des Konsums, offener Märkte und immer liberaleren Gesellschaften leben. So die These.
Der Titel war gut gewählt, die Aussage sexy, so wurde diese Meinung zum Leitgefühl einer Dekade.
Natürlich gab es viele andere Aussagen, die z.B. auf die vielen Fehlkonstruktionen der EU hinwiesen, oder die Notwendigkeit der Verständigung auf Augenhöhe mit den afrikanischen Ländern betonten.
Im Siegestaumel über den Sieg über den kommunischtischen Feind, gingen diese Stimmen aber unter.
Als 2008 dann eine weltweite Wirtschaftskrise durch den entfesselten Geldsektor ausgelöst wurde,
fing das Vertrauen an, großflächiger zu erodieren. Eine Pandemie und den Überfall auf die Ukraine später, glauben nur mehr wenige daran, dass das liberal- kapitalistische System uns in eine
glückliche(re) Zukunft führen wird. Aus Mangel an Visionen und Alternativen konsumieren viele Menschen einfach weiter auf Teufel komm raus. Angesichts all der Herausforderungen ist dieser
Fatalismus auch verständlich.
Als ich damals die Inspiration für dieses Objekt hatte, war da kein Gefühl von Furcht oder Trauer über das Zerbrochene. Ich fand es interessant und auch heilsam, dass durch diesen Bruch
eine Struktur offen gelegt wurde. Solche Momente ermöglichen, etwas neu betrachten, das davor als gegeben abgespeichert war.
Dieser befreite Blick kann in den Bruchstücken der Vergangenheit, Bausteine der Zukunft finden.
Wenn es um Bruch und das zerbrechen geht, geht es auch um Dualität:
Etwas ist dann gut, wenn es ganz ist und dann schlecht, wenn es gebrochen ist.
Bäume werden in Tirol vielleicht 400 Jahre alt.
Wenn man sie nicht fällt und Hackschnitzel daraus macht, sterben sie irgendwann langsam ab.
Doch damit beginnt ein zweites Leben:
Zuerst werden Insekten einziehen und Pilze mit bringen, zusammen werden sie die Struktur abbauen und irgenwann wird der Baum umfallen. Am Boden geht die Besiedelung erst richtig los und eine Tausendschaft aus Bodenlebewesen, Insekten, Pilzen und Pflanzen wird sich davon ernähren und damit zum Erhalt der gesamten Umgebung beitragen.
Bis der Baum dann wieder zu Humus geworden ist, hat er eine Millionen- Schaft von Lebewesen beherbergt und ernährt.
Dann stellt sich die Frage: Ist das Absterben ein Grund zur Trauer, oder ein Grund zur Hoffnung? Kommt der Tod, wenn etwas vergeht, oder entsteht hier der Nährboden für etwas Neues?
Aufträge von Politikern, Wirtschaft und Kreativität zu verbinden, zielen meistens darauf ab, in irgendeiner Weise einen monetären Mehrwert zu kreieren. Das ist auch gar nicht zu verurteilen, weil
sie von uns dafür gewählt wurden. Außerdem ist es eine Eigenschaft des Kapitalistischen Systems, dass es immer auf der Suche nach Gütern ist, die davor frei waren, um sie zu monetarisieren und zu
einem Produkt zu machen.
Das kann Wasser sein, menschliche Zuwendung, oder eben auch Kreativität.
Allerdings ist es für mich auch denkbar, dass Brüche irgendwann so tief gehen, dass sie auch das patriachale System berühren. Das könnte dann wirklich zu einer nachhaltigen und positiven
Entwicklung für alle:
Menschen, Tiere, Pflanzen und Mineralien- führen.

Die Annäherung:
Am Ausgang des Vomper Lochs ist dieser Bachabschnitt, zwischen einer Wasserfassung und dem Kraftwerk am Ende des Tals.
Das Einzugsgebiet dahinter ist riesig und das Karwendel dort extrem schroff.
Das führt auch dazu, dass es dort bei Niederschlägen sehr viel Wasser und riesige Geschiebe Bewegungen gibt.
Das Bachbett verändert sich dort permanent und Garagen- große Felsen werden bewegt. Dementsprechend werden auch menschliche Bauwerke immer wieder beschädigt und zerlegt.
Der Platz ist also einer, an dem immer wieder extreme Energien wirken.
Die Hauptkomponenten der Skulptur, damals noch eine dicke Eisenplatte, war wohl einmal Teil einer Wasserfassung. Bei einem Starkregen Ereignis muss der ganze Teil des Bauwerkes
zerstört
worden sein und die Platte wurde ins Bachbett gespült. Dort muss es ich verklemmt haben und lange so geblieben sein. In dieser Zeit wurde sie von riesigen Steinen bearbeitet, die Verformungen und
Risse erzeugt haben, die mit Maschinen nicht machbar wären.
Schlussendlich wurde das Blech (so wird Metall genannt, auch wenn es wie hier, einen halben Zentimeter stark ist) so abgekantet, dass es gebrochen ist.
Sehr bald danach habe ich die, jetzt, beiden Teile gefunden.
Für mich sind solche Funde immer glückliche Momente.
Für mich sind solche Gegenstände Träger von Geschichten, die in ihre Gestalt eingeschrieben wurden.
Falten machen alte Gesichter wahr.
Sie sind Zeugen des Lebens eines Menschen.
Die Schrammen, Risse und Verwüstungen meiner Materialien sehe ich als Spuren ihres da- seins und ihrer Einzigartigkeit.
Das macht sie für mich wertvoll.

Die Form:
Ich bin an japanischer Philosophie interessiert.
Beim Bruch spielen Wabi- Sabi und Ikebana eine Rolle:
Im Wabi Sabi geht es um die Schönheit im Unvollkommenen und in den Spuren des Alterns.
Hier wird eine mögliche Verletzung nicht als Makel gesehen, sondern als Möglichkeit der Einsicht und Erkenntnis.
Im Ikebana geht es darum, Ding bewusst zu arrangieren, so dass sie ihren eigenen Raum haben und die Dinge ihres Umfeldes so unterstützen, dass die höchste Möglichkeit für alle möglich wird.
Hier wird nicht Fülle, sondern Befreiung angestrebt.
Die beiden Platten werden von einem Stahlseil miteinander verbunden, wobei sich zweimal zwei Rechtecke ergeben, die im Verhältnis zueinander stehen.
Die Haselruten schweben darüber und zeichnen wie Vektoren die Kraftlinien nach.
Eine der drei Ruten ist in zwei gebrochen.
Auch hier gibt es wieder dieses Verhältnis von zwei und zwei.
Im symbolischen Kontext der japanischen Philosophie, haben die Zahlen zwei und drei Bedeutung:
Zwei steht für die Dualität.
Hier ist der Bruch und das Zerbrechen verortet.
Drei steht für eine universelle Harmonie, die die Bruchstücke
und das dazwischen miteinander verbinden kann.
Hier findet die Magie statt, die aus eins und eins- drei machen kann.
Wenn man die gebrochene Haselrute ansieht
und von der Bruchstelle weg in die andere Richtung geht, kann man wahrnehmen, dass sich die Vektoren wieder treffen, auch wenn das in einem nicht sichtbaren Bereich passiert.




